Hausfinanzierung ohne Eigenkapital




Lange Zeit haben Experten und Banken von der Hausfinanzierung ohne Eigenkapital abgeraten. Begründet war dies vor allem in den hohen Kreditkosten, die aufgrund des vergleichsweise großen Risikos für die Bank entstanden sind. In den vergangenen Jahren haben sich die Ansichten jedoch geändert. Heute ist es durchaus möglich, eine Immobilie komplett ohne eigenes Kapital zu kaufen. Allerdings ist dies nicht für jeden Hauskäufer sinnvoll.

Was gilt überhaupt als Eigenkapital?

Eine alte Faustregel besagt, dass rund 20 bis 30 Prozent der Kaufsumme einer Immobilie in Form von Eigenkapital aufgebracht werden sollte. Bei diesem Kapital denken Kreditnehmer in erster Linie an:

  • Bargeld
  • Einlagen auf Tagesgeldkonten
  • Sichtguthaben auf Sparbüchern
  • Zuteilungsreife Bausparverträge

Mit diesen Mitteln wird im Zuge des Hauskaufs ein Teil des Kaufpreises finanziert, wobei die Bank für die Bezahlung des weitaus größeren Teils sorgt. Zum Eigenkapital können allerdings noch weitaus mehr Posten zählen. Beispielsweise verfügen Hauskäufer über festverzinsliche Sparbriefe, Festgelder, andere Immobilien, Anleihen, Fonds oder Aktien. Der einzige Unterschied dieses Kapitals gegenüber Bargeld, Kontoguthaben und Co. besteht darin, dass es nicht unbedingt täglich verfügbar ist.

Dennoch kann es bei der Finanzierung des Eigenheims durchaus eingeplant werden. Banken beleihen beispielsweise sichere Fonds mit bis zu 50 Prozent des aktuellen Werts. Auch Aktien können verkauft werden, um an Geld zu gelangen. Aber: Nicht immer ist die Liquidierung und Beleihung der Anlageprodukte sinnvoll. Wer beispielsweise erst vor kurzem Anteile an einem Fonds erworben hat, erzielt durch den zeitnahen Verkauf Verluste. Denn der Ausgabeaufschlag amortisiert sich erst durch Wertsteigerungen des Fonds über mehrere Jahre.

Wann ist die Hausfinanzierung ohne Eigenkapital sinnvoll?

Viele junge Familien wünschen sich ein eigenes Haus, noch bevor sie Eigenkapital ansparen können. Gerade die immer stärker steigenden Mieten machen dieses Vorhaben auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll. Schließlich können die ausbleibenden Mietzahlungen genutzt werden, um den Immobilienkredit abzubezahlen. Doch auch wer über Erspartes verfügt, kann die Hausfinanzierung ohne Eigenkapital – auch Vollfinanzierung genannt – sinnvoll nutzen. Denn so kann die eiserne Reserve weiterhin für Engpässe aufgehoben werden. Weitere Gründe, die für eine Finanzierung ohne Eigenkapital sprechen:

  • Vollfinanzierung bei niedrigen Zinsen
    Der Aufbau von Eigenkapital erfolgt nicht von heute auf morgen. Er kostet viel Zeit, dauert teils mehrere Jahre an. Es kann allerdings vorkommen, dass sich der Leitzins aktuell auf einem niedrigen Niveau befindet, was die Aufnahme eines Kredits lukrativ macht. Um diese Chance nicht zu verpassen, kann das Darlehen ohne Eigenkapital aufgenommen werden, bevor die Zinsen in Zukunft wieder steigen.
  • Höhere Rendite durch Kapitalanlage
    Paradoxerweise eignet sich die Finanzierung ohne Eigenkapital insbesondere für Personen, die über ein hohes Vermögen verfügen. Denn gerade in Zeiten niedriger Zinsen kann es vorkommen, dass eine Anlage des Eigenkapitals an den Finanzmärkten deutlich höhere Renditen erzielt, als eine Investition in die Immobilie die Kreditkosten senken würde.

Wichtig: Die Aufnahme eines Hauskredits ohne Eigenkapital bedeutet nicht, dass der Kreditnehmer über keinerlei finanzielle Mittel oder ein niedriges Einkommen verfügt.

Rechenbeispiel: Hausfinanzierung mit und ohne Eigenkapital

Zwei kurze Rechenbeispiele sollen zeigen, dass die Finanzierung ohne Eigenkapital durchaus finanzielle Vorteile mit sich bringen kann.

  • Eine Familie hat berechnet, dass sie sich einen Kredit von 200.000 Euro leisten kann.
  • Mit dieser Summe wird der reine Kaufpreis finanziert, die Kaufnebenkosten von rund 10 Prozent bezahlt die Familie aus ihrem Ersparten.
  • Aktuell befinden sich die Zinsen auf einem Rekordtief, selbst die Finanzierung ohne Eigenkapital ist zu 2,7 Prozent p.a. möglich.
  • Daher entscheidet sich die Familie zu einer Finanzierung ohne eigenes Geld.

Vereinbart werden eine 10-jähriger Zinsbindungsfrist und eine Monatsrate von 1.000 Euro. Diese enthält sowohl Zinszahlungen als auch einen Anteil für die Tilgung. Nach Ablauf der Zinsbindungsfrist besteht noch eine Restschuld von insgesamt 123.704,47 Euro.

Alternativ dazu hätte die Familie auch erst Eigenkapital von 10 Prozent des Kaufpreises ansparen können. Für die insgesamt 20.000 Euro hätte die Familie rund 5 Jahre lang sparen müssen. Während dieser Zeitspanne ist das Zinsniveau allerdings stark angestiegen, so dass jetzt mit einem Zinssatz von 5 Prozent p.a. gerechnet werden muss. Die monatliche Rate liegt wieder bei 1.000 Euro, die Kreditsumme jetzt nur noch bei 180.000 Euro. Nach Ablauf der Zinsbindungsfrist von 10 Jahren beträgt die Restschuld allerdings noch 138.837,87 Euro. Begründet ist dies in dem hohen Anstieg des allgemeinen Zinsniveaus.




Existieren auch Nachteile bei der Hausfinanzierung ohne Eigenkapital?

Grundsätzlich ist die Vollfinanzierung zum heutigen Zeitpunkt immer teurer, als wenn direkt Eigenkapital aufgebracht werden kann. Das gilt sowohl für die Zinskosten als auch die monatlichen Rückzahlungsraten. Insofern ist es für Kreditnehmer besonders wichtig zu berechnen, wie viel Kredit sie sich überhaupt leisten können. Die Basis für eine solche Berechnung bilden:

  • Monatliches Einkommen
  • Fixe Monatsausgaben (Miete, Versicherungen)
  • Kosten für den Lebensunterhalt (Nahrung, Kleidung, Freizeit)

Zudem gilt es zu beachten, dass für den späteren Unterhalt der Immobilie ebenfalls finanzielle Aufwendungen fällig werden. Denn auch bei neuwertigen Objekten kann es vorkommen, dass Renovierungen oder Reparaturen vorgenommen werden müssen. Deshalb ist es wichtig, dass Hauskäufer in den ersten Jahren recht sparsam leben, wenn sie über keinerlei finanzielle Rücklagen verfügen und diese zunächst aufbauen.

Ein weiterer Nachteil der Vollfinanzierung kann darin bestehen, dass einige Banken die Vergabe eines solchen Kredits an eine sogenannte Restschuldversicherung binden. Sollte der Kreditnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können – etwa wegen Berufsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit oder Tod – haftet die Versicherungspolice für die Restschuld. Was auf den ersten Blick positiv erscheint, hat einen Haken: Solche Versicherungen sind vergleichsweise teuer und treiben die Darlehenskosten nach oben. Einen wirklichen Zusatznutzen bringen sie dem Hauskäufer in der Praxis aber nicht. Daher sollte bei der Finanzierung darauf geachtet werden, dass keine Restschuldversicherung abgeschlossen wird.

 

Welche Tilgungsvarianten sind generell möglich?

Bezüglich der Tilgung des Darlehens ergeben sich in der Praxis zwei Varianten:

  1. Annuitätendarlehen
    Es handelt sich um den Standardfall. Hierbei zahlt der Kreditnehmer eine gleichbleibende monatliche Rate an die Bank, welche aus den Zinsen und einem Tilgungsanteil besteht. Im Laufe der Zeit erhöht sich der Anteil der Tilgung immer weiter, wohingegen die Zinszahlungen sinken.
  2. Tilgungsersatzleistung
    Teilweise bieten Banken an, dass monatlich ausschließlich die Zinsen entrichtet werden. Der eigentliche Tilgungsanteil fließt in ein Sparprodukt wie beispielsweise eine Lebensversicherung ein. Am Ende der Darlehenslaufzeit wird die Summe aus der Police dann genutzt, um den Kredit vollständig zu tilgen. Der Vorteil: Die monatlichen Ratenzahlungen sind äußerst gering. Der Nachteil: Das Darlehen ist sehr teuer, weil sich die Zinszahlungen während der Laufzeit nicht reduzieren.

Voraussetzungen für die Hausfinanzierung ohne Eigenkapital

Grundsätzlich gilt, dass Kreditnehmer über eine hohe Bonität verfügen sollten, wenn sie einen Kredit ohne Eigenkapital aufnehmen möchten. Andernfalls ist die Bank nicht zur Vergabe bereit, denn das Risiko für einen Zahlungsausfall ist dann zu hoch. Bedeutet im Klartext: Der Kreditnehmer darf praktisch keine laufenden Darlehen haben und sollte über ein hohes Einkommen verfügen.

Zudem gilt es zu beachten, dass nur wenige Kreditinstitute generell zur Finanzierung ohne Eigenkapital bereit sind. Hierzu zählt etwa die Interhyp (Vorausberatung).

Dadurch fallen einige ansonsten recht zinsgünstige Banken beim Vergleich der besten Anbieter bereits weg. Auch bei klassischen Hausbanken wie Sparkassen oder Volksbanken ist es unüblich, dass Baufinanzierungen oder Hauskäufe komplett ohne Eigenkapital abgewickelt werden. Dennoch bietet der Markt mittlerweile ausreichend Auswahl, so dass Hauskäufer mehrere Angebote miteinander vergleichen können.

Expertentipp: Nebenkosten aus eigener Tasche zahlen

Im Rahmen einer sogenannten Vollfinanzierung wird wirklich die komplette Immobilie über die Bank finanziert. Hierzu zählen auch die Kaufnebenkosten, die recht teuer werden können. Beispielsweise fallen folgende Kostenpunkte an:

  • Notarkosten
  • Maklerprovision
  • Gebühren für die Eintragung ins Grundbuch
  • Grunderwerbssteuer

Schnell können so zwischen 10 und 15 Prozent an zusätzlichen Kosten auf den Hauskäufer zukommen. Experten empfehlen, zumindest diesen Betrag aus der eigenen Tasche zu zahlen. Das macht die Hausfinanzierung deutlich günstiger, erfordert aber nur vergleichsweise geringe finanzielle Aufwendungen.

Für wen ist die Finanzierung ohne Eigenkapital sinnvoll?

Vollfinanzierungen sind nicht für alle Kreditnehmer empfehlenswert. Ohnehin werden die Darlehen ohne Eigenkapital auch gar nicht an alle Personen vergeben. Aus Sicht der Bank sieht der „perfekte“ Kreditnehmer für einen Kredit ohne Eigenkapital wie folgt aus:

  • Überdurchschnittliches Einkommen
  • Unbefristetes Arbeitsverhältnis, im Idealfall Verbeamtung
  • Keine negativen Einträge in der Schufa
  • Finanzielle Rücklagen für mögliche Renovierungen oder Reparaturen vorhanden

Wer über ein lediglich durchschnittliches Einkommen verfügt, für den ist die Kreditaufnahme ohne Eigenkapital schon deutlich schwieriger. Geringverdiener haben überhaupt keine Chance.

Darüber hinaus eignet sich die Kreditaufnahme auch für sehr wohlhabende Personen. Sie können ihr Vermögen in anderen Anlageformen lukrativer anlegen, so dass die Zinskosten aus den Renditen beglichen werden. Zudem lassen sich durch die Kreditaufnahme steuerliche Vorteile erzielen, wenn die Immobilie nicht selbst genutzt wird. Denn bei vermieteten Objekten können die Darlehenskosten als Werbungskosten geltend gemacht werden. Wichtig: Ob sich ein solches Vorhaben lohnt, sollte immer mit dem eigenen Steuerberater geklärt werden.